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Von Antje Mayer.

Geschätzt, gefragt, gekauft

Kunst aus Zentral- und Osteuropa boomt


In der Silvesternacht von 2006 auf 2007 knallten besonders viele Sektkorken und Böller in Bulgarien und Rumänien. Der Beitritt der beiden Länder in die EU wurde dort von vielen mit euphorischer Begeisterung gefeiert, aber nicht von allen. Maria Vassileva, Chefkuratorin der „Sofia Art Gallery“ und in ihrer Funktion tatkräftige Unterstützerin zeitgenössischer bulgarischer Kunst, ist skeptisch:


„Zum Auftakt der EU-Mitgliedschaft präsentierte sich Bulgarien im Ausland bezeichnenderweise mit der Alte Schmuck-Ausstellung ‚Meisterstücken aus der Sammlung Vassil Bojkov’. Gegen Bojkov läuft derzeit ein Verfahren. Die Herkunft der Stücke kann er nicht eindeutig nachweisen. Unser Kulturministerium erkennt nicht, dass zeitgenössische Kunst mehr zu einem neuen modernen Image des Landes beigetragen hätte“, ärgert sich Vassileva, die gerade einmal zwei Personen kennt, die in Bulgarien Zeitgenössisches sammeln: Eine Unternehmerin, die ganze vier Arbeiten besitzt und der Nedko Solakov, der internationale Künstlerstar, der heuer auch auf der documenta 12 vertreten sein wird. „Von einem Kunstmarkt kann man in Bulgarien nicht sprechen“, bedauert Vassileva.
Dass sich das demnächst ändern wird, ist der schottische Galerist Chris Byrne überzeugt. Im kommenden Herbst eröffnet er mit seiner bulgarischen Partnerin Iliyana Nedkova die Galerie „ARC Projects“ in Sofia: „Wir glauben, es ist eine sehr optimistische Zeit, um eine kommerziellen Kunstort in Bulgarien zu eröffnen. Konkurrenz müssen wir kaum fürchten, denn die übrigen Galerien agieren eher wie Souvenir-Shops und bieten alte Meister, Ikonen oder akademische Kunst an.“ Byrne ist optimistisch: „Durch den Beitritt der EU werden wir weniger Probleme mit dem Zoll haben. Auch stabilisiert sich im Land langsam die ökonomische Lage. Dass es bislang keinen Kunstmarkt gab, sehen wir eher als Herausforderung, endlich einen zu etablieren.“
Auch wenn das arme EU-Land Bulgarien noch hinterherhinkt, im EU-routinierten Ungarn läuft der Markt schon: „In Ungarn leben immerhin über achtzig ernst zunehmende Kunstsammler“, weiß Zsolt Somloi, Budapester Medienmanager und Sammler zeitgenössischer heimischer Kunst. Auch der Moskauer Businessman Michael Tsarev, Präsident des russischen „Club of ContemporaryArt Collection“, der sich selbst auf Sammeln von performativ zeitgenössischen Arbeiten konzentriert, ist überzeugt, dass man in seiner Heimat Russland auf einen guten Weg ist: „In Russland – oder sagen wir besser in Moskau und Petersburg, wo die meisten Sammler etabliert sind-, muss das Bewusstsein und der Geschmack für zeitgenössische Kunst sicherlich noch wachsen. Aber alte und moderne Kunst – vor allem auch aus dem eigenen Land- wird ja bereits gut gekauft. Daran sieht man, dass Geld für Kunst im Grunde locker sitzt.“
Auch wenn die Sammlerschicht in den zentral- und osteuropäischen Ländern selbst noch klein ist, die Preise der zeitgenössischen Werke noch relativ günstig sind, die Künstlernamen noch kaum bekannt und kaum in einer westlichen Enzyklopädie erwähnt, so etabliert sich dennoch international ein Markt. Gut zu beobachten heuer Ende April auf der Wiener Kunstmesse VIENNAFAIR. Viele der insgesamt 27 Galerien aus Zentral- und Osteuropa verkauften – nach anfänglichen Nullrunden in den vergangenen zwei Jahren- mittlerweile erfreulich gut, zu deutlich gestiegenen Preisen.
Diese positive Entwicklung wurde nicht zuletzt vor etlichen Jahren kräftig gepuscht durch die großen –heftig diskutierten- Balkanausstellungen von Harald Szeemann (2003 „Blut & Honig“ in der Sammlung Essl) und René Block (2003„In den Schluchten des Balkan“ in Friedericianum) und Werbe-Veranstaltungen wie der Prague oder Moscow Biennale, die nach erfolgreichen Premieren heuer beide in Wiederholungsrunden gingen.
Belebend wirkt zudem, dass sich mittlerweile viele US-Amerikaner, viele jener Familien waren ursprünglich aus Osteuropa in die USA emigriert, für Kunst aus dieser Region interessieren. Die junge rumänische Galeristin Andreiana Mihail, die erst im November vergangenen Jahres eine eigene – inzwischen erfolgreiche- Galerie in Bukarest eröffnet hat, verkauft nach eigenen Aussagen das meiste in die USA.
Wichtig sind für das wachsende Interesse sicher auch junge Sammlungen wie die der österreichisch-zentraleuropäischen Erste Bank, die sich auf Kunst aus den sechziger und siebziger Jahren aus den ehemaligen Ostblockstaaten und Ex-Jugoslawien spezialisiert hat und im Hintergrund durch ihre Ankäufe auch die Preise entsprechend in die Höhe treiben. Auf der heurigen documenta 12 sind allein vier Künstler aus der erst 2004 gegründeten Sammlung vertreten: Sanja Iveković (HR), Mladen Stilinović (SHG), Jiří Kovanda (CZ) und Ion Grigorescu (RU). Fremdklingende Namen, die man sich als „Kunstkenner“ in Zukunft wohl besser merken sollte.
Auch wenn die Preise für zeitgenössische Kunst aus Zentral- und Osteuropa noch relativ moderat sind, nicht zuletzt, um die zart heranwachsende Käuferschicht vor Ort nicht unnötig zu verprellen, so sind die für alte Meister und moderne Kunst aus jener Region teilweise gänzlich überhöht, wie der Osteuropa-Spezialist und Galerist Hans Knoll mit Geschäftsdependancen in Wien und in Budapest (seit 1989) weiß: „In den vergangenen Jahren hat eine junge neureiche Käuferschicht die Preise für moderne Kunst und alte Meister aus jenen Ländern - auf dem ohnehin schmalen Markt - unnatürlich in die Höhe getrieben. Bei zeitgenössischer Kunst erleben wir aber mittlerweile ähnliches. Die russische Künstlergruppe AES+F, die ich vertrete, werden nach Russland, aber auch in die USA, bereits zu höheren zweistelligen Summen verkauft. Solche Preisentwicklungen sind nicht immer gut für eine langfristige internationale Karriere. Da kann und will man in West- oder Mitteleuropa beispielsweise dann preislich nicht mehr immer mitbieten. Doch Knoll schränkt ein: „Die Frage ist aber auch, ob ein internationaler Markt immer notwendig ist. Ein paar wenige slowakische Künstler der älteren Generation etwa verkaufen sich teilweise nur auf dem nationalen Parkett hochpreisig. Das ist doch bei österreichischen und deutschen Künstlern auch oft nicht anders.“



Text erschienen in Kunstzeitung 07/2007
> Link: Kunstzeitung > Link: Sofia Art Gallery- > Link: Nedko Solakov- > Link: BNR/ Collection Vassil Bojkov- > Link: ARC Projects Sofia- > Link: viennAfair- > Link: Sammlung Essl- > Link: Firedericianum- > Link: Andreiana Mihail Gallery Bukarest- > Link: Kontakt. Erste Bank Collection- > Link: documenta12- > Link: KunstNET/ Galerie Knoll-